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MARCUS GARVEY
Als der schwarze Jamaikaner Marcus Garvey Anfang
des 20. Jhd. einen schwarzen Nationalismus predigte, löste er damit in Nordamerika eine Massenbewegung aus. Auf Jamaika wurde
er Begründer der "Back to Africa" - Bewegung. Er predigte die Ebenbürtigkeit von Schwarz und Weiß und versuchte das gebrochene
Selbstwertgefühl der Schwarzen aufzurichten, indem er sie aufforderte zu ihren eigenen Wurzeln zurückzukehren und die ihnen
aufgezwungene westliche Kultur abzulegen. Das wahre Land ist Zion, Zion in Afrika, aus dem die Weißen die Schwarzen verschleppt
haben.
Garvey’s Endziel war die Rückkehr aller Schwarzen
nach Äthiopien, dem einzigen nie kolonialisierten selbständigen afrikanischen Land. In seiner Sprache ein Synonym für ganz Afrika.
"Wenn der weisse Mann die Idee eines weissen Gottes hat, lass ihn Gott
verehren, wie er das wünscht. Wenn der Gott des gelben Mannes von seiner Rasse ist, lass ihn Gott verehren wie er ihn sieht.
Wir, Schwarzen haben ein neues Ideal. Unser hat Gott hat keine Farbe. Da es aber menschlich ist, alles aus der eigenen Sichtweise zu sehen und die Weissen ihren
Gott aus weisser Sicht sehen, haben wir (erst) jetzt angefangen Gott aus unserer Sichtweise zu sehen. Der Gott Isaac’s
und der Gott Jakob’s lassen IHN (HIM) für die Rasse, die an den Gott von
Isaac und Jakob glaubt, existieren. Wir Schwarzen glauben an den Gott Äthiopiens, den immerwährenden Gott – Gott der
Vater, Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist, den einen Gott aller Zeiten. Das ist der Gott an den wir glauben, aber wir
sollen IHN (HIM) aus der äthiopischen Sichtweise verehren.“
1919 gründete Garvey die Schifffahrtslinie Black
Star Line, die die Transportverbindung nach Afrika herstellen sollte. Er stellte Aktien nur für Schwarze bereit und nahm
Millionen von Dollar ein, indem er einzelne Anteile zu 5 $ verkaufte. Trotz konstanter Verfolgung durch die Behörden kaufte
die Gesellschaft einen alten Baumwollfrachter und begann 1920 den Handel zwischen Jamaika und New York aufzunehmen.
Seine auf 3 Millionen Anhänger geschätzte Bewegung
"Universal Negro Improvement Association" (UNIA) stellte damals einen beachtlichen politischen Faktor dar.
"Was wir glauben"
Die Universal Negro Improvement Association befürwortet die Vereinigung und Mischung aller
Schwarzen in eine starke und gesunde Rasse. Sie glaubt, dass die schwarze Rasse
so gut ist wie alle anderen auch und deshalb stolz auf sich selbst sein soll, wie andere es auch sind. Sie
glaubt an die spirituelle Vaterschaft Gottes und an die Brüderschaft der Menschheit. Sie glaubt an die soziale und politische Trennung aller Leute, so dass sie für ihre eigenen Ideale und Zivilisationen
werben, mit dem Privileg des gemeinsamen Handels und Geschäftemachens. Sie glaubt an die Förderung einer starken und machtvollen
schwarzen Nation in Afrika. Sie glaubt an die Rechte aller Menschen.“
Marcus
Garvey, President-General, 1.1.1924"
Großen Einfluß übte er auf junge afrikanische Politiker
aus – so z.B. auf "Zik" Azikiwe aus Ghana, Kwame Nkrumah aus Ghana und Jomo Kenjatta aus Kenia, die später ihre Länder
in die Unabhängigkeit führten. In den Vereinigten Staaten kam es unter Garveys Einfluss zu der berühmten Busfahrt von Montgomery,
die die Bürgerrechtsbewegung auslöste.
1921 gründete Garvey in New York die "African Orthodox
Church" bevor er 1925 aufgrund fingierter Beweise wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis kam und 1927 nach Jamaika abgeschoben
wurde.
Er starb 1940 in aller Stille in London, der Leichnam
wurde feierlich nach Jamaika überführt und in einem Mausoleum beigesetzt.
Garvey wird seit der Unabhängigkeit Jamaikas als Nationalheld
verehrt. Einer seiner wichtigsten überlieferten Sätze ist:
"Schaut nach Afrika, wenn ein schwarzer König gekrönt
werden wird, dann ist der Tag der Erlösung nahe!"

HAILE SELASSIE
Im November 1930 wurde der Äthiopier Ras Tafari
Makonnen in einer triumphalen Zeremonie zum Kaiser seines Landes gekrönt. Er legte seinen bürgerlichen Namen Ras Tafari (Ras
= Fürst) ab und nannte sich seine kaiserliche Majestät Haile Selassie I (Kraft der Dreieinigkeit). Haile Selassie gilt als
der 225. Nachfahre der königlichen Linie von David. Ein Erbe des König Solomon und der Königin von Sheba (Saba).
Am 7. Oktober 1928 wurde er zum König (negus) gekrönt.
Auf dem Weg dorthin exekutierte er mehrere Rivalen. Zum Kaiser bzw. "König der Könige" (Negusä nägäst) wurde er erst am 2.
November 1930 gekrönt, nach dem mysteriösen Tod der Kaiserin Zawditu. Sein vollständiger Titel lautet:
His Imperial Majesty Haile Selassie, King of Kings, Lord of the Lords, Conquering
Lion of the tribe of Judah, Elect of God, Emperor of Ethiopia.
Jamaika
Die Anhänger Garvey’s in Jamaika lasen von diesem
Ereignis und konsultierten ihre Bibel nach einem Zeichen: Könnte dies der Schwarze König sein, von dem Garvey sprach?
Offenbarung 5:2,5
"Und ich sah: Ein Engel rief mit lauter Stimme: Wer ist würdig die
Buchrolle zu öffnen und ihre Siegel zu lösen? Aber niemand im Himmel, auf der Erde und unter der Erde konnte das Buch öffnen
und es lesen. Da weinte ich sehr, weil niemand für würdig befunden wurde, das Buch zu öffnen und zu lesen. Da sagte einer
von den Ältesten zu mir: Weine nicht! Gesiegt hat der Löwe aus dem Stamm Juda, der Spross aus der Wurzel Davids, er kann das
Buch und seine sieben Siegel öffnen."
Für viele Schwarze war dieser
Tag die Erfüllung von Garvey’s Prophezeiungen. Haile Selassie wurde als lebendiger Gott angesehen, der
die Rückkehr und Wiedervereinigung
aller Schwarzen in Afrika bereiten würde. Auf Jamaika bildete sich eine religiöse Gemeinschaft, deren Mitglieder sich nach
Haile Selassies bürgerlichem Namen "Rastafarians" nannten.
Jah Lloyd erläutert die Bedeutung dieses Namens:
"[...], das Wort "Rastafari" ist ein amharisches Wort und daher ein
ursprünglicher Laut der Schöpfung. Seine Deutung ist die folgende: "Jah" heißt Jehova, "Ras" bedeutet Haupt, und "Tafari ist
ein passives Verb mit der Bedeutung "gefürchtet werden". Zusammen ergibt das also: "das Haupt des Allmächtigen, der Wert ist
gefürchtet zu werden"."
Anfang der dreißiger Jahre berichtete die jamaikanische
Tageszeitung "Daily Gleaner" von einem "Niyabingi"-Orden in Äthiopien und im Kongo, der angeblich von Selassie persönlich
geführt und der weißen Rasse einen vernichtenden Krieg geschworen hatte. Die jamaikanischen Rastafarians begriffen sich ebenfalls
als Niyabingi-Krieger in der Armee ihres Gottes und schworen "Tod allen weißen und schwarzen Unterdrückern".
Die Glaubensätze waren etwa bis 1953 gültig. Es
ist ihre Aussage, dass Schwarze, durch den langen Weg der Unterdrückung in Babylon geprägt, eine andere, höhere Ebene der
Erleuchtung erreicht haben und somit auserlesen sind.
Die Rastafari-Religion bekam massenhaft Zulauf aus
den Ghettos, da sie es den Schwarzen ermöglichte ein neues Selbstwertgefühl aufzubauen, Stolz zu entwickeln und sich spirituell
zu emanzipieren. Haile Selassi-Bildnisse wurden wie Reliquien verehrt und galten zugleich als Pass und Visum für die baldige
Einreise nach Äthiopien.
Äthiopien
1936 musste Haile Selassie – nach der Invasion
seines Landes durch die italienischen Faschisten geführt von Mussolini – ins Exil, zunächst nach Jerusalem, dann nach
England. Im Mai 1940 rettete Winston Churchill ihn aus seinen Schwierigkeiten, als Italien als Feind Großbritanniens offiziell
in den zweiten Weltkrieg eintrat. Von den Briten nach Khartum eingeschmuggelt, organisierte Selassie in den Wüsten des Sudan
eine Armee. Am 5.Mai 1941 gelangte er wieder auf seinen Thron in Addis Abbeba. Seine Krönung und der Sieg über die weißen
Angreifer ließ sein Ansehen in der Schwarzen Welt gewaltig wachsen.
Er führte Reformen durch und wollte Äthiopien in
ein modernes Land verwandeln. 1955 erließ er eine neue Verfassung, die allen seinen Untertanen das allgemeine Wahlrecht und
Gleichheit nach dem Gesetz zusprach, aber das Dokument enthielt einen entscheidenden Vorbehalt:
"Kraft seines kaiserlichen Blutes sowie der Salbung, die ER empfangen
hat, ist die Person des Kaisers heilig. Seine Würde ist unverletzlich und seine Macht unbestreitbar".
Jamaika
1958 lud ein anderer, selbst ernannter Rasta-Führer
ca. 300 Brüder zu einem großen "Niyabingi" ein. Sie gaben sich 21 Tage lang dem Ganja-Rauchen, Trommeln, Tanzen und der Liebe
hin. Eine militante Fraktion der großen Bruderschaft versuchte schließlich den Victoria-Park zu besetzen, um von dort aus
die ganze Stadt im Namen Selassies zu erobern.
1959 verkaufte ein weiterer Rasta-Prediger erneut
Schiffstickets für den von ihm benannten Termin für die Rückfahrt nach Afrika: den 5. Oktober 1959. Leider tauchte an dem
Tag aber kein Schiff am Horizont auf: Er wurde verhaftet und ließ seine Brüder, die all ihr Hab und Gut verkauft hatten, obdachlos
im Ghetto Kingstons zurück.
Die Forderung nach der Afrikamission wurde von Manley,
dem Vorsitzenden der Jamaika Labour Party als erster realisiert - denn er wusste, dass sie in einem Fiasko enden muss. Es
wurde gesagt Haile Selassie wäre durchaus bereit, Jamaikaner in seinem Land aufzunehmen, nur sollten es bitte nicht diese
langhaarigen, marihuana-rauchenden Rastas sein, die sich weigerten Steuern zu zahlen. Ärzte, Ingenieure und andere hochqualifizierte
Einwanderer wären hingegen willkommen. Diese wussten jedoch, dass sie in Jamaika besser leben konnten als in Äthiopien.
Äthiopien
1960 gab es in Äthiopien eine Palastrevolte, die von
Haile Selassie’s Sohn, Kronprinz Asfa Wossen, unterstützt wurde. Von seinem Staatsbesuch in Brasilien zurückgekehrt,
ließ der Kaiser den Aufstand niederschlagen. Erklärtes Ziel des Umsturzversuches war es gewesen, ein neues Regime einzusetzen,
das einen rascheren gesellschaftlichen und ökonomischen Fortschritt gewährleisten sollte.
Jamaika
Im April 1966 hat Norman Manley dann - sozusagen
als Trostpflaster - Haile Selassie nach Jamaika eingeladen. Hunderttausende drängten sich hinter den Absperrungen auf dem
Flughafen. Es regnete in Strömen. In dem Moment als die Tür der Maschine aufging und der Kaiser heraustrat, riss die Wolkendecke
auf und die Sonne schien auf das Rollfeld herunter. Die Rastas gerieten durch dieses "himmlische Zeichen" in einen Taumel
der Begeisterung und waren nicht mehr zu halten. Sie rissen die Absperrungen nieder und stürmten jubelnd auf das Rollfeld.
Während seines Besuchs in Jamaika äußerte sich Selassie
weder zum Rastafari-Kult noch zu seiner angeblichen Göttlichkeit. Dennoch verbreitete sich bei den Rastas sehr schnell ein
Gerücht, demzufolge der Kaiser einigen Rasta-Älteren ein geheimes Dokument übergeben habe, in dem er sie aufforderte, Jamaika
zuerst aus den Klauen des Neokolonialismus zu befreien, bevor sie nach Afrika auswanderten: "liberation before immigration".
(Befreiung vor Einwanderung)
Dadurch wurde ein wunder Punkt in der Rasta-Religion beseitigt, denn die bisher nicht erfüllte Prophezeiung der Erlösung
des schwarzen Volkes durch die Rückkehr nach Afrika wurde nun auf einen unabsehbaren Zeitpunkt vertagt...
Äthiopien
Selassie begann nach der Palastrevolte sein Volk
über seine politischen Ziele per Rundfunkansprache zu informieren, doch viele waren der Meinung, er täte zu wenig und es sei
überdies zu spät. Eine winzige Fraktion der intellektuellen Elite Äthiopiens machte sich in den frühen 70ern bemerkbar, als
das so genannte Horn von Afrika zu einer der strategisch wichtigsten und politisch unsichersten Regionen der Welt wurde. Die
USA schickten Militärhilfe, um die äthiopische Armee zu stärken. Die Sowjetunion bewaffnete den ewigen Feind Somalia und unterstützte
den revolutionären Befreiungskampf in der Region Eritrea.
Am 27.August 1975 "starb" Haile Selassie.
"You nuh cyan bury Jah" sagen die Rastas, "Jah kann
man nicht begraben.
Daher ist auch nach dem Tod von Haile
Selassie Äthiopien das Land der Verheißung und "Jah Rastafari" lebt, denn Gott stirbt für die Rastafarians niemals.

Denk-und
Lebensweise der Rastafarians
Rastafari ist gelebte Religion, und die Faszination,
die es auch auf westliche weiße Linke ausübt, erklärt sich nicht nur durch die Exotik und die hypnotisierende Musik, sondern
auch durch die Haltung der Rastas gegenüber dem "System" und die konsequente Umsetzung von philosophischen Grundsätzen in
gelebte "Alternativen".
Auf die Frage was die Rasta-Identität eigentlich
ausmache, antwortete Lloyd:
"...as I would say: Rastafari Identity is Rastafari, who feels it - knows it, who never
know it - a go feel it, seen"
Oneness
Die gesamte Lebensweise
der Rastas ist von der "oneness" bestimmt. Oneness ist Ausdruck des Gefühls der Zusammengehörigkeit zwischen den Rastafarians,
aber auch Ausdruck einer universalen Liebe, des Gefühls der Durchdrungenheit von Gott. Viele Rastafarians leben gemeinschaftlich
zusammen. Besitz ist insofern nicht bekannt. Im Idealfall wird Land, das benötigt wird, einfach genommen.
So steht es im Psalm
24:1: "Die Erde ist des Herren und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen"
Arglist, Stehlen,
Lügen, Habsucht, Eifersucht, Neid, Haß, Verrat sind verurteilungswürdige Verhaltensformen. Es herrscht in vielen Aspekten
des Lebens eine Gleichberechtigung, aber nicht weil es Gesetze gibt, sondern einfach durch die konsequente Auffassung von
der Allgegenwart Gottes. Sich über einen anderen zu stellen, würde bedeuten, Gott in ihm zu verachten.
Sprache
Ein anderer Ausdruck
der Gleichheit spiegelt sich im Rasta-Dialekt wieder, der sog. I'n'I-Sprache (Ich-und-Ich-Sprache): Wenn Rastafarians von
Gemeinschaft sprechen, gebrauchen sie statt "wir" den Ausdruck "I and I", "ich und ich".
Ras Historian interpretierte
es so:
"'Ich' in der normalen englischen Sprache
'I', ist die erste Person. Du, er, sie, es folgen als zweite und dritte Person. Wenn ich und Ich als Rastafarian die Zahlen
betrachte, so kommt Eins zuerst. Sogar zwischen dem Zeichen 1 (eins) und I (für "ich") gibt es eine gewisse Ähnlichkeit. Deshalb
betrachte Ich und Ich jedes Individuum, das ein Mitglied der Rastfarians ist, immer als "I". Anders gesagt, ein jeder ist
immer der Erste. Denn es ist nur die Gesamtheit aller, die dieses ganze Ich bildet und so den vollkommenen Zustand hervorbringt."
Nach Dennis Forsythe,
einem Soziologen und Rastafarian, unterscheidet man ein "little I" und ein "big I":
"Das "little I"
oder Ich (für englisch me) bezieht sich auf das untere Selbst des Menschen, auf seinen Körper, sein Ego, jenen Teil von ihm,
der geboren wurde und sterben wird. Es ist dieses "little I", das Begierden, Streben, Elend, Glück erlebt, Handlungen vollzieht
und den Tod fürchtet. Es ist das äußere Gewand des "Big I", ein Instrument, durch das sich das "Big I" auf der materiellen
Ebene manifestiert."
"Das "Big I" ist
das ewige unsterbliche oder wahre Selbst, das niemals geboren wurde und niemals sterben kann. Es ist der Geist des Göttlichen
und Heiligen, das in der Tiefe eines jeden seinen Sitz hat."
Das Ziel der Rasta-Anhänger
besteht also in der Erkenntnis des Selbst und in der Verschmelzung von "little I" und "Big I". Diese Selbstverwirklichung
wäre dann "I-nity" bzw. Unity (Einheit).
Für die Rastafarians
ist die Sprache gewissermaßen ein heiliges Instrument und kein bloßes profanes Kommunikationsmittel. Sprache geht zurück auf
den Schöpfungungsbericht der Bibel:
"Am Anfang war das Wort, und das Wort war
bei Jah, und Jah war das Wort" (Joh.1,1)
Hierin sieht der Rastafarian
einen Beweis dafür, daß Worte nicht nur Klang haben, sondern auch Kraft. Mit den Begriffen Wort, Klang und Kraft (word, sounds
and power) korrespondieren Geist, Sprache und Herz, die in eins schwingen und die Erleuchtung des Denkens und Fühlens ermöglichen.
"Durch Sprechen erneuert Rasta das Universum;
Mitgefühl, Demut, Liebe und Harmonie anstrebend"
Zur vollsten Entfaltung
kommt die Sprache im "Reasoning", der Gesprächsform der Rastafarians. Während des nächtlichen Rauchens werden Inspirationen
mitgeteilt und in langen Gesprächen diskutiert. Hierin ist ein sakraler Akt zu sehen, vergleichbar mit dem Gebet. Die nächtliche
Zeit ist zudem die heilige Zeit, da die Tageszeit fest im Griff von Babylon ist.
Das Reasoning ist
auch noch in weiterer Hinsicht von Bedeutung: Rastafari ist nicht nur als eine Bewegung anzusehen, also solch eine ohne
Führer, sondern auch als eine solche, die am ehesten das protestantische Prinzip vom Priestertum aller Gläubigen zu verwirklichen
scheint.
Rasta-Frauen
Eine Rasta-Frau wird entweder
als "sister" oder als "daughter" bezeichnet. Es ist Frauen verboten Hosen zu tragen. Im fünften Buch Mose 22,5 steht:
"Eine Frau soll nicht Männersachen tragen, und ein Mann soll nicht Frauenkleider anziehen; denn wer das tut, der ist
dem Herrn, deinem Gott, ein Gräuel"
Homosexualität wird
strikt abgelehnt, ist sie doch aus biblischer Sicht verwerflich.
Zitat aus DER BRIEF DES PAULUS AN DIE RÖMER, 1. Kapitel: "1,26
Darum hat sie Gott dahingegeben in schändliche Leidenschaften; denn ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr vertauscht mit
dem widernatürlichen; 1,27 desgleichen haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen und sind in Begierde
zueinander entbrannt und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den Lohn ihrer Verirrung, wie es ja sein musste, an sich
selbst empfangen."
Zitat aus DAS DRITTE BUCH MOSE (LEVITIKUS), 18. Kapitel:
Verbot geschlechtlicher Verirrungen
"18,22 Du sollst nicht bei einem Mann liegen
wie bei einer Frau; es ist ein Gräuel."
und
ebd., 20.Kap:
"20,13 Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei
einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben; Blutschuld lastet auf ihnen."
Während ihrer Menstruation gelten Frauen als unrein
und werden der Gemeinschaft ferngehalten. Das, weil es so in der Bibel steht. Auch sichtbar im patois-Fluchwort "blood-clot"
(Bluttuch).
Ernährungs-Gewohnheiten
"Damit der Kopf denken
kann, muss der Körper gesund sein" sagen die Rastas
Rastafarians trinken
keinen hochprozentigen Alkohol und lehnen "künstliche" Nahrung sowie Fleisch ab. Sie glauben, daß Fleisch, Fisch Geflügel
oder Eier den Magen zu einem "Friedhof" machen, da man sich totes Fleisch einverleibt. "Agridishes" bzw. Nahrung, die in der
Erde gewachsen ist, sowie absolut frische natürliche Nahrung ist "ital". Ital leitet sich von I und vital = Lebenswichtig
ab, verbunden mit der Nebenbedeutung "natural", natürlich.
Die Nahrung soll gesund
und frisch sein, ohne Zusätze von Salz oder chemischen Stoffen zur Färbung oder Konservierung. Dosennahrung gilt ohnehin als
"beerdigte Nahrung".
Auch die Küchengeräte
sollten aus natürlichen Materialien hergestellt werden.
Mehr über was man
essen kann und was nicht, werdet ihr unter Leviticus, Kap. 11 und Deuteronomium 14,3 - 21a finden.
Rastafarians und die
Gesellschaft
Rastas leisten keine
Lohnarbeit, denn "Lohnarbeit ist Sklaverei". Sie bevorzugen Arbeit als Handwerker, Händler oder Fuhrunternehmer, Maler, Bildhauer,
Dichter oder Musiker.
Innerhalb des Rastafari
gibt es außerdem verschiedene Gruppierungen: den Niyabinghi-Orden, die Twelve Tribes of Israel, die Ethiopian Orthodox Church,
Mystic Revelation of Rastafari Bobo Ashanti u.a., deren Auslegung dessen, was Rastafari ist, unterschiedlich strikt ist.
Auch wegen des Genusses
von Ganja geraten sie häufig in Konflikt mit dem Gesetz und die Strafen sind hart. Für die Rastafarians ist die herrschende
Strafverfolgung eine massive Unterdrückung und reine Schikane. Das drückt sich auch in der Musik aus.
Auch mit ihrer äußeren
Erscheinung ziehen die Rastafarians viel Unwillen auf sich. Sie tragen Dreadlocks und pflegen einen lässigen Kleiderstil.
Daß eine solche nonkomformistische Lebenshaltung beim Gegenüber oft Angst und Ablehnung erzeugt, kennen wir auch von unserer
Gesellschaft. Oft wird Rasta-Kindern mit Dreadlocks der Besuch der Schule verboten.
Rastas nehmen an keinen Beerdigungen teil, da sie
nicht an den Tod glauben. „ Der Tod ist ein chemischer Prozess: Nichts geht verloren, es ändert nur seine Form.“
Dreadlocks
Dreadlocks sind ein
Symbol der Hingabe. Sie sind die Antennen zu Gott. Sie sind Symbol für Würde und Ehre, und ein bildliches Symbol der
Löwenmähne. Auch
hier folgen die Rastafarians den Empfehlungen der Bibel:
Leviticus 21,5: "They shall not
make baldness upon their head [...]".
Siehe auch Numeri
6,5: “().. soll auch kein Schermesser sein Haupt berühren, bis die Zeit abgelaufen
ist, die er sich dem Herrn als Nasiräer geweiht hat. Er ist heilig, er muss sein
Haar ganz frei wachsen lassen.”
Und Richter, 13,5:
“Es darf kein Schermesser an sein Haupt kommen, denn der Knabe wird von Geburt
an ein Gott geweihter Nasiräer."
Dreadlocks sind Kraft;
siehe auch die Geschichte von Samson und Delilah in der Bibel.
Je länger die Dreadlocks
eines Rastafarian, desto länger folgt dieser der Rasta-Überzeugung des heiligen Weges des Lebens, könnte man bezugnehmend
auf die Traditionen sagen. Ein Rasta ohne Dreads ist ein "Baldhead" - er kann nicht ernst genommen werden.
Rastas, die zur Befragung
zur Polizei mussten, wurden dort die Dreads abgeschnitten, als ein Akt der öffentlichen Verleumdung und sozialen Kontrolle
über die Bewegung. Rastas sind über diese Grausamkeiten sehr wütend, denn die Dreadlocks sind sehr bedeutsam für ihre spirituelle
Überzeugung. Sie glauben, dass sie klarer denken können und Gefahr um sie herum dank der Dreadlocks spüren können. Sie denken,
daß es ihnen möglich ist, dank dieser natürlichen "Rezeptoren", Inspirationen von Jah zu erhalten. Wenn ein Rastafarian sein
Haus verlässt, um "in die Welt" zu gehen, trägt er eine wollende Mütze, den sog. "tam", die oft die Farbe rot, gold und grün
hat.
"Rot, für das Blutvergießen unter den Suffarahs
(Leidenden) seit den Tagen der Sklaverei! Gold, für den Reichtum, den man den Suffarahs gestohlen hat, seit Salomons Tempel
erbaut wurde! Grün, für das gelobte Land in Afrika, das die Heimkehr des schwarzen Mannes erwartet."
Ganja
Ganja oder Marihuana,
auch "herb" genannt, ist das Brot Jerusalems, Königsbrot, Brot des Lammes, Kraut der Weisheit, Kraut Salomos.
Ganja, Cannabis sativa,
ist das heilige Kraut der Rastafarians, von dem an mehreren Stellen in der Bibel gesprochen wird:
"Und die Erde ließ aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringt, ein jedes nach seiner
Art. Und Gott sah, das es gut war" (1.Buch Moses 1:12)
Ganja spielt eine
wichtige Rolle bei der religiösen Versenkung, da es tiefe und klarere Einsichten in das Leben vermitteln soll. Es soll eine
Verbindung mit der Seele herstellen.
"Das Ritual des Herumreichens der Pfeife,
der Schluck aus dem Kelch (chalice), ist Teil der Verehrung Jahs; dies wird als eine Anrufung der universalen Kraft des Allmächtigen
verstanden. Das Rauchen des Krautes in einer Versammlung symbolisiert Vereinigung und Einheit, I-nity, unter denen, die da
vor Jah versammelt sind. Es verbindet die Anwesenden in der Fülle der göttlichen Kräfte, schafft einen vibrierenden Austausch
von Meditation zwischen allen, die am Sakrament teilhaben." (Itations of Jamaika zit. nach Loth, 1991)
Hierzu der Soziologe
und Rastafri Dennis Forsythe:
"Für die Brüder ist Ganja der mystische
Leib und Blut von 'Jesus' - das Brandopfer für Gott, aus Feuer gemacht - welches den einzelnen sehen und erkennen läßt den
‚lebendigen Gott' oder den 'Gott-im-Menschen'. Sie leiten ihre moralische Berechtigung zum Gebrauch der Kräuter aus
ihren persönlichen Erfahrungen mit der Pflanze und auch aus dem Buch der Genesis ab, das den Gebrauch von 'allen Pflanzen,
die Samen bringen', gestattet."
Es wird gesagt, dass
Ganja als Nahrung für das Hirn und als Allheilmittel gelte. So hilft es bei Asthma, Erkältung, Magenverstimmung, Fieber, Rheumatismus,
Grauem Star, Trumbose und vielem mehr. Es wird von keinem Rasta als schädlich empfunden.
Ganja wird geraucht,
aufgebrüht als Tee getrunken, im Essen verwendet und äußerlich aufgetragen. Man macht daraus Seile, kosmetische Produkte und
vieles mehr. Sein Gebrauch produziert psycho-spirituelle Effekte und hat sozio-religiöse Funktion. Es wird gesagt, dass es
Visionen hervorrufe, die Gefühle vertiefe, kreative mache und Ruhe für den Geist bringe.
In den 60er Jahren
dieses Jahrhunderts war der Export von Ganja in die USA ein Multi-Millionen-Dollar-Geschäft - jährlich. Es war hoch durchorganisiert
und in der Hand von Kleinbauern und Rastas. Allerdings stehen Produktion, Genuss und Verkauf von Ganja leider unter Strafe.
Trotzdem gilt sein Anbau als wichtiger Zweig der Landwirtschaft.
Reggae-Sänger Ras
Midas über Ganja:
"Ich will etwas
über das Kraut sagen und darüber, was das Kraut mit unserer Kultur und unserer Musik zu tun hat. Der richtige Name für das
Kraut ist Cannabis. Es ist das einzige lebende Kraut in der Schöpfung, das der Mensch sowohl als Tee trinken als auch rauchen
kann. Es bringt dich in die Meditation über Jah. Wenn Ich-und Ich meine Ich-und-Ich Musik schaffe, greife Ich-und-Ich zu dem
Kraut, und das Kraut führt mich in die Meditation mit Jah. Dann füttert Jah mich mit dem Wort, mit der Lyrik, dem Text und
der Melodie, so daß ich das in die Realität herausbringen kann. Deshalb kämpft Babylon gegen das Kraut.
Das Kraut und die
Musik sind nach dem Konzept von Rastafari die Heilung für die Völker. Überall, wo das Kraut hinkommt, überall, wo Reggae Fuß
faßt, wird Rastafari sein, und das Kraut dort sein, denn du mußt mit dem Kraut kommunizieren, um zu wissen, wer Rastafari
ist. Du mußt mit dem Kraut kommunizieren, um die Musik und ihr Konzept zu verstehen".
Ganja ist die stärkste
gemeinsame Erfahrung im Rastafari. Die zentrale rituelle Aktivität der Rastas ist das "reasoning" über einer glühenden Pfeife.
Die Ganja-Pfeife wird "chalice" genannt. Sie geht von Hand zu Hand um den Altartisch als rituelles Symbol von Erde, Luft,
Wasser und Feuer.
Ras Norma:
"Babylon kennt
die Weisheit, die du vom ganja-rauchen bekommst und sie müssen dich von deiner Meditation abhalten. Sie
kämpfen weiter gegen I (mein) Kraut, verstehst du (overstand)? Weil I Kraut ein spezielles Kraut ist, wird es getrennt betrachtet, aber es ist auch ein
Kraut. Kein Mensch kann es machen, es kommt aus der Erde, es ist ein Kraut der Weisheit und der Wahrheit. Ich denke wenn ganja
legal wäre, gäbe es positiv weniger Problem e mit Kokain und Crack. Wenn die
Leute das Kraut rauchen würden, wäre es Meditation, Demut würde sie zur Selbstbesinnung bringen (i-tate), verstehst du (overstand)?
Aber wenn du Rum trinkst, ist das eine andere Szene. Wenn du dich umschaust, siehst du wer die Probleme verursacht. Es sind
Crack, Heroin, Kokain, Morphium, Alkohol und Zigaretten. Kraut macht dich demütig, weil es ein heilendes Kraut ist In Guyana
kommst du wegen eines Joints drei Jahre ins Gefängnis. Viele Rastas werden wegen Kraut verfolgt. Nicht für Mord oder Diebstahl
von jemandem, nur für das Rauchen des Krautes. Aber die Menschheit muss sich von der mentalen Sklaverei befreien. Sie haben
versucht Bruder Marley, Peter Tosh und Marcus Garvey für das Sprechen der Wahrheit zu töten. Weil Bob Babylon verbal angezündet
hat. Wenn Bob noch auf dieser Erde wandeln würde, wäre jeder Rasta, weil er die Wahrheit spricht und sie in seiner Musik singt
und die Wahrheit bleibt für immer. Aber sie werden mich niemals aufhalten, denn
auch wenn sie mich drei Jahre ins Gefängnis, Ich-und-Ich werden rauskommen und Ich-und-Ich werden immer noch I Kraut rauchen,
weil I Kraut göttliche Meditation ist, ich bin frei, dass zu tun, was ich muss. Jah Rastafari, Selassie I sei verehrt."

Musik
Neben dem Rauchen von
Ganja ist die Musik das wichtigste Medium zur Meditation. Man sagt, Rasta sei Religion und Reggae ihre Messe.
Ursprünglich bestand
die Musik der Rastafarians nur aus Trommeln und Sprechgesang. Seine Wurzeln liegen im Burru, eine Musikformen auf Jamaika.
Es wird vermutet, dass diese Musik auf ghanaische oder nigerianische Tradition zurückgeht. Burru war eine der wenigen afrikanischen
Musikstile, die die Sklavenhalter erlaubten. Die Trommeln wurden auf den Feldern gespielt, um das Arbeitstempo zu steigern.
Der vom Burru übernommene Rhythmus wurde anfangs nicht von den Rastas akzeptiert und setzte sich nur langsam durch.
Aber in den späten
50er Jahren wurde Count Ossies Camp zu einem Kristallisationspunkt der musikalischen Entwicklung. Viele der Musiker, die in
der Entwicklung des Ska und des Reggae später eine Rolle spielten, trafen sich bei Ossie zu Jam Sessions: Don Drummond, Rico
Rodriguez, Roland Alphonso, Tommy McCook, Cedric Brooks und viele andere. Es flossen Elemente des Jazz, sowie des Mento und
Rhythm and Blues in die Rasta-Musik ein.
In den 60ern teilte
sich der musikalische Strom. Einerseits nimmt der Einfluß der Rastas auf die Populärmusik Jamaikas weiter zu. Andererseits
bildet sich in Abgrenzung zur geschäftlichen Welt Babylons eine orthodoxe Schule des Niyabinghi-Trommels, die den sakralen
Charakter der Musik betont. Niyabinghi enthält afrikanisch-stämmigen Elemente wie komplexe Trommel-Rhythmen und offbeat-Muster
mit einem Bass, der den "Herzschlag" hält.
"Niyabinghi
heisst Krieg, aber die Waffe, die wir benutzen ist Liebe, denn nur Liebe kann das Böse besiegen." (Ras
Colwin in einem Reasoning (vgl. ebd., S. 28))
"Der Krieg, wie ich am nächsten Tag klarkommen kann."
Heute wird Reggae
und Rasta häufig synonym verwandt, meist aber zumindest in einem Atemzug genannt. Doch gegen solche Gleichsetzungen setzen
sich die Mitglieder des Niyabinghi-Ordens zur Wehr.
"Reggae is some sort of a mix-up, mix-up business. Only
Niyabinghi music is divine and pure Rastafari Musik." Winston in einem reasoning
Ihre musikalische
Äußerung wird von den Anhängern dieses Ordens als eigentliche Rasta-Musik eingeschätzt: Nur Niyabinghi-Gesänge dienen der
Verehrung von Jah und können durch die Kraft von word, sounds and power - ohne die artifizielle elektrische Energie der Verstärkeranlagen
- Babylon niedersingen.
Im Gegensatz zum
Niyabinghi-Orden gibt es auch Rastafari-Orden, die nicht so strikt denken. So nutzt z.B. der Orden der "Twelve Tribes of Israel"
Reggae als Transportmittel für ihre religiösen Inhalte. Reggae ist ihre kulturelle Äußerungsform.
Winston Rodney (Burning
Spear) bezeichnet in einem Interview Niyabinghi als Quelle seiner Inspiration:
"The feelings of Nyabingi are coming through the music and the music
is coming through the feelings of the Niyabinghi. One Order."
Und Freddie McGregor
sagt in einem Interview:
"Weder die Musik und die Texte eines Bob
Marley noch irgendeines anderen Reggae-Stars (sofern sie Rastafari-Inhalte vermitteln) lassen sich ohne Niyabinghi - die roots
ihres Ausdrucks und ihrer vibrations - verstehen.
Aber Niyabinghi ist
eben nur eine Ausdrucksform der Rasta-Musik. Die jamaikanische Musikwissenschaftlerin Pamela O´Gorman schrieb schon 1972:
"Durch die gesamte Geschichte von Ska, Rock
Steady und Reggae zieht sich als roter Faden die Stimme der Rastafaris. Mal ist sie stärker, mal schwächer. Sie bringt eine
neue Sprache in die Texte, einen liturgischen Charakter in die Melodie und der Rasta-Rhythmus überlagert den Pop-Rhythmus"
Während politische
Parteien wie die sozialdemokratische PNP mit Wahlslogans wie "Power for the people" um Stimmen warben, reflektiert Reggae
das Selbstbewusstsein und die Erfahrung der Mehrheit, die mit ihren Künstlern erstmals echte Repräsentanten ihres Kulturschaffens
frei wählen und damit "Power of the people" ausdrücken. Das ist die eigentliche kulturelle Revolution hinter dem "Phänomen"
Reggae. Wenn junge Jamaikaner heute von "klassischer Musik" reden, so meinen sie damit nicht Bach oder Beethoven, sondern
- klar - Bob Marley, Burning Spear oder Mutabaruka.
Die Musik bleibt ein
einigermaßen autonomes Medium der Kommunikation, solange die Interpreten nicht nach internationalem Starruhm streben. Denn
wenn Fragen der optimalen Vermarktung ihre Schatten auf die textlich vermittelten Inhalte werfen, wird auch Reggae zum Opfer
kultureller Fremdbestimmung und zum kurzlebigen aber gewinnbringenden "style and fashion".
Die Mitglieder des
Niyabinghi-Ordens lehnen den Reggae als korrumpiert ab. Sie meinen, dass Reggae keine Rasta-Musik sei, da ihre Interpreten
das Wort Gottes gegen Geld verkaufen würden und niemand könne zwei Herren - Jah Rastafari und dem Dollar - dienen.
Für viele Rastas bedeutet
ein Einlassen auf das Reggae-business hingegen eine durchaus legitime und die letztlich aufrichtigste "Organisation" des Überlebens
in Babylon. Zugleich das verabscheute System niederzusingen ("to chant down Babylon") und dafür noch vom System selbst bezahlt
zu werden, entspreche - Larry in einem Reasoning zufolge - voll und ganz den gerechtfertigten Intentionen mancher Rastas.
Anders als die Rasta-Philosophie
entstand der Reggae in den urbanen Ghetto-Bezirken. Die Musik war vorerst ein Organ der unterdrückten jugendlich urban sufferers.
Erst mit dem stärker werdenden Einfluß von Rastafari auf das Medium Reggae - Mitte der Siebziger Jahre - bekam es eine globale
Orientierung, die Trenchtown und Soweto zu Synonymen für ein und dasselbe Unrecht machten. Reggae ist in seinen Ursprüngen
die Ausdrucksform der Schwarzen Jamaikaner, die einen Weg zu kultureller Identität und Selbstvertrauen finden wollen.
Bob Marley
Geboren wurde Bob
Marley am 6. Februar 1945 von seiner jungen Mutter Cedella Marley. Sein weißer Vater, Captain Norval Sinclair Marley verschwand
einen Tag nach der Hochzeit mit Cedella. Groß wurde Bob Marley teilweise in den Hügeln von St. Ann, wo er mit seiner Mutter
bei seinem Großvater lebte, der ein angesehener Myalman war, und teilweise in den yards von Kingston.
Dort begann er begeistert
von der Musik, die er in Kingston zu hören bekam, amerikanischem R&B, selber Lieder zu schreiben. Er träumte davon ein
Star zu werden, jetzt da dank des Radios und der Plattenindustrie dieses zu einem realistischen Traum wurde. Zuvor boten Cricket,
Fußball und Gewaltverbrechen eine Aussicht auf Reichtum und Ruhm – und letzteres schien noch am ehesten Erfolg zu versprechen.
Bob Marley erinnert
sich, dass er als Kind eine Todesangst vor den Rastas gehabt hatte. Sie wurden von den Ghetto-Kindern als die Blackheart-Männer
angesehen. Aber den Rasta-Jargon zu verwenden war äußerst hip.
Eigentlich war es
Rita Marley, die Bob mit der Philosophie des Rastafari vertraut gemacht hatte. Sie sah Haile Selassie bei seinem Besuch in
Jamaika und war sehr beeindruckt von ihm. Bob Marley traf dann auf Mortimo Planno, ein Rasta, der dem Divine Theocratic Temple
of Rastafari in Kingston angehörte. Dieser unterwies ihn in der Denk- und Lebensweise der Rastas und mit ihm besuchte Bob
Marley eine Grounation-Feier, die seit Selassies Besuch an jedem 21. April abgehalten wurden. Und es war Planno, der zu ihm
sagte: "Ein Lied ist ein Zeichen".
Bob Marley hatte als
Junge einen Traum, ein mystisches Erlebnis, in dem ihm von Haile Selassie, wie er nun interpretierte, ein Ring übergeben wurde.
Diesen Ring soll er später tatsächlich, von Haile Selassie’s Sohn Asfa Wossen erhalten haben. Ein schwarzer Stein mit
dem Bild des Löwen von Juda. Der Ring Haile Selassies, mit dem Bob Marley auf einigen Fotos zu sehen ist.
Anfang der 70er waren
die Wailers mehr als eine Hitfabrik. Sie sorgten für die ersten Ansätze eines fundamentalen Wandels in der Haltung der Jamaikaner
zu ihrer Musik. Für sie interpretierte der Rasta-Reggae die moralische Verkommenheit und die Rassenunterdrückung auf dem ganzen
Planeten, erklärte sie und wies sie in seine Schranken. Sie wollten der ganzen Welt verkünden, das Reggae die Ouvertüre zur
Apokalypse war.
Bob Marley trat den
Twelve Tribes of Isreal bei, wie man der Rückseite des Covers seinen Albums Rastaman Vibration entnehmen konnte.
"Mit ihm wurde der Gedanke des Rastafari
und die revolutionäre Kraft des Reggae in der Welt verbreitet. Überall in der dritten Welt wurde Bob Marley als moderner Myalman
angesehen, der den Willen und die Macht besaß, - buchstäblich, wie im Übertragenen Sinne-, das Böse zu vertreiben" schreibt
Timothy White in seiner Bob Marley Biographie.
Zion
Zion ist der Ort, wo sich alle sammeln, die die Irrlehren Babylons nicht angenommen haben. Es ist
der Schnittpunkt, wo sich Judentum und Christentum treffen. Zion ist das Königreich Gottes auf Erden.
Babylon
"Babylon. Das korrupte Establishment der
westlichen Gesellschaft. Der Westen und die westliche Zivilisation, gegründet auf Kapitalismus, haben sich die Herrschaft
über die Menschheit angemaßt. Das Wort wird auch in der engeren Bedeutung "Polizei" verwendet, denn diese schützt ja das niederträchtige
System. Manchmal wird es auch speziell als Bezeichnung der ehemaligen Kolonialmacht benutzt, dem Zentrum der Finsternis und
Verderbtheit." (aus Itation of Jamaica)
In der alttestamentarischen
Prophezeiung meint Babylon das geschichtliche Babel. "Babylon Dread", das schreckliche Babylon nach Offb 17,5 bzw. das "Römische
System" ist die furchtbare Welt, in der die Rastafarians leben müssen, das Exil, aus dem sie, heimkehren wollen in das gelobte
Land. Die Auserwählten werden auf dem Berge Zion leben werden.
Rastafari werden keine
Waffe zur Hand nehmen und sich auch nicht mit dem Blut Babylons besudeln müssen, denn Babylon wird sich selbst vernichten.
Jah T. argumentiert in einem reasoning, daß Staaten wie die USA aus reiner Gewinnsucht -
"They worship the dollar as their God" - Waffen an eigene Feinde verkaufen, was zwangsläufig zur Erfüllung der
biblischen Prophezeihung "The wicked shall fall through their own sword"
führen müsse.
Bongo Hu-I sagt, dass
zuerst jeder einzelne Babylon als das erkennen müsse, was es ist: ein Herrschaftssystem, das auf dem Konglomerat von Religion,
Politik und Handel aufbaut. Wer sich für den Rasta way of life entscheide, könne nicht umhin, zu allererst Babylon in sich
selbst zu bekämpfen - durch einen zielstrebigen Rückzug aus Religion, Politik und Handel. Jeder sei nun frei von Korruption
und könne durch rechtschaffende Lebensweise und vertiefte Meditation weitere Stadien der Rasta Livity erreichen.
Das Lied "Rivers
of Babylon", vielen bekannt als "happy reggaesound" ist fast wörtlich dem Psalm 137 aus der Bibel entnommen. Er ist ein Schlüssellied
der Rastafari-Bewegung in Jamaika.
An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir Zion gedachten, unsere Harfen hingen
in den Weiden die daselbst sind. Denn dort hießen uns singen, die uns gefangen hielten und in unserem Heulen
fröhlich sein: "Singet uns ein Lied von Zion" "Wie sollen wir des Herren Lied singen in fremden
Ländern"
Eine Ballade aus
den 70ern, die das unmittelbar bevorstehende Dahinscheiden des religiösen Reiches an der Mündung der Flüsse Andiene und Tiber
prophezeite.
Armageddon
Das Armageddon ist der Endkampf von Gut und Böse und entspricht etwa der christlichen Vorstellung vom Jüngsten Gericht.
Irie
Ausdruck positiver Schwingungen ist das Rastawort "Irie", dass man bisweilen vom hebräischen und damit biblischen
arjeh (Löwe) und Ariel (Löwe Gottes) ableitet. Löwen begleiten das Bild des Kaisers und zieren die Räumlichkeiten der Rastafaris.
Nicht zuletzt ist der Löwe auch ein Symbol Afrikas.
The Lion of Judah
"The lion of Judah shall break every chain and bring
us victory again and again".
Dieser zentrale Leitgedanke - von früheren Rastas wie Howell als anti-kolonialer Schlachtruf
gegen die italienische Invasion Äthiopiens durch Mussolini postuliert - machte weiten Kreisen der jamaikanischen Bevölkerung
Rastafari erstmals in der Dimension als Theologie der Befreiung bewusst. "Every chain" meint jede Form der kolonialen, politischen,
sozioökonomischen, kulturellen und religiösen Unterwerfung. Rastafari konfrontiert die soziale Realität der mannigfachen Unterdrückung,
"Babylon System," mit ihrer Philosophie und Kultur der Befreiung. Aus der Rasta-Religion hat sich Lebens- und Denkweise, Sprache
und Musik entwickelt, die als eigenständige Kultur in der jamaikanischen Kultur zu sehen ist.
Afrika
Ist der Mutterkontinent aller Menschen. Von dort sind die ersten Menschen
nach Europa und Arabien, anschliessend nach Asien und Australien und schliesslich über die damals noch begehbare Beringstrasse
nach Nordamerika und in die Karibik und zu guter Letzt nach Südamerika gewandert. Wir sind alle gleichen Ursprungs mit dem
gleichen Blut und den gleichen Wurzeln und daher all eins!
Buchtip
Babylon muss fallen von Girma Gebre-Selassie.
BLESSINGS
AND GUIDANCE TO ALL MY RASTA SISTREN AND BREDDREN, SHALL JAH ALWAYS BE THE LIGHT IN YOUR DARKNESS!
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